Wer passt hier auf wen auf?
Für uns Radfahrerinnen und Radfahrer gehört es zum Alltag: Aufpassen und in jeder Situation für andere mitdenken. Wir werden zu knapp überholt, Radwege sind nicht durchgängig verfügbar, wir werden angehupt und für manche dürften wir so etwas sein wie lebende Hindernisse. Zurecht fordern wir deshalb unseren fairen Anteil auf der Straße ein. Wir wollen sicher von A nach B kommen und uns im Verkehr nicht unerwünscht fühlen. Schon gar nicht in Zeiten, wo man in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit mehr tun muss als bisher. Es soll hier aber gar nicht um den viel beschworenen "Konflikt" zwischen AutofahrerInnen und RadfahrerInnen gehen. In Wahrheit sind wir nämlich fast alle immer wieder auf verschiedene Arten im Straßenverkehr unterwegs. Lagerkämpfe bringen also niemanden weiter, es geht nur mit vernünftigen Regeln, mit Respekt und gegenseitiger Rücksichtnahme.
Was wir uns auf dem Rad wünschen, sollten wir auch anderen entgegenbringen, vor allem den so genannten schwächeren Verkehrsteilnehmern. In unserem Fall also den FußgängerInnen. Selbstkritisch kann man durchaus fragen, wie gut das funktioniert, besonders auf gemeinsam genutzten Verkehrsflächen. Eine aktuelle Studie aus Deutschland legt den Fokus ganz besonders auf Unfälle zwischen RadlerInnen und FußgängerInnen. Die Dunkelziffer an kleineren Zwischenfällen dürfte dabei hoch sein, da die Polizei dort kaum involviert ist. Für Österreich gibt es aktuell keine genauen Zahlen. Laut Unfallforscher Siegfried Brockmann und seinem Team komme es vor allem dann zu Problemen, wenn FußgängerInnen überraschend die Fahrbahn betreten, ohne sich entsprechend umzusehen. Schlechte Radinfrastruktur und gemeinsam genutzte Flächen täten ihr Übriges.
Rücksicht, Einsicht, Vorsicht
Wer muss jetzt aber wann und auf wen besonders Acht geben? Ganz allgemein sagt die österreichische Straßenverkehrsordnung (StVO), dass sich „Radfahrer auf Geh- und Radwegen so zu verhalten haben, dass Fußgänger nicht gefährdet werden"1. Auf gemeinsam genutzten Wegen wird von RadlerInnen außerdem eine "erhöhte Sorgfaltspflicht gegenüber den Fußgängern gefordert". Andererseits sind aber natürlich auch Menschen, die zu Fuß unterwegs sind, dazu angehalten, aufmerksam zu sein: „An Stellen, wo der Verkehr weder durch Arm- noch durch Lichtzeichen geregelt wird, dürfen Fußgänger wenn ein Schutzweg nicht vorhanden ist, erst dann auf die Fahrbahn treten, wenn sie sich vergewissert haben, daß sie hiebei andere Straßenbenützer nicht gefährden." 2 Ganz so klar ist die Sache also nicht.
Das zeigt auch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Vorjahr. Eine Fußgängerin war am Rheinauweg in Vorarlberg mit einer Radfahrerin zusammengestoßen. Gegenseitig machte man sich für den Unfallhergang verantwortlich, außergerichtlich war keine Einigung möglich. Die Fußgängerin beharrte darauf, dass Radfahrer generell dazu verpflichtet seien, auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen. Der OGH sah die Sache in diesem Fall etwas anders: Die Vergewisserung, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet werde, gelte für Fußgänger auch beim Überqueren von Geh- und Radwegen.3 Das Gericht machte damit die Fußgängerin für den Unfall verantwortlich, sie musste der Radfahrerin 5000 Euro Schadensersatz zahlen. Letztendlich landen wir mit diesem Beispiel wieder bei dem Satz von vorhin: Es geht nur mit Respekt und Rücksichtnahme.
1 § 68 (1) StVO
2 § 76 (4) lit. b StVO 3 OGH 27.6.2022, 2 Ob 64/22h