Mit dem Lastenrad durch den Alltag. Oder doch nicht mehr?

Lastenräder sind für viele Menschen in ihrem Alltag heute kaum noch wegzudenken. Sie transportieren damit ihre Kinder, Haustiere oder täglichen Einkäufe. Nicht zuletzt aufgrund von großzügigen öffentlichen Förderungen von Gemeinden, Ländern und Bund sind in den letzten Jahren (zehn)tausende solcher Räder auf Österreichs Straßen dazugekommen. Im Sinne des Klimaschutzes und zur Förderung der Verkehrswende ist das begrüßenswert und auch sinnvoll. Die Marken und Modelle sind dabei vielfältig: ein- oder zweispurig, mit oder ohne E-Motor, Fahrer vor oder hinter der beförderten Last, mit oder ohne Dach, etc. etc. Wer sich überlegt ein solches Rad anzuschaffen, sollte sich im Vorhinein also ein paar Gedanken machen, wofür es schlussendlich verwendet wird.
Für Schlagzeilen hat in letzter Zeit der niederländische Fahrradhersteller Babboe gesorgt, der sich auf Lastenräder spezialisiert hat und eigenen Angaben nach europäischer Marktführer ist. Laut niederländischen Behörden habe es im Zusammenhang mit Babboe Lastenrädern zahlreiche Vorfälle gegeben, bei denen Fahrradrahmen ohne äußere Einwirkung gebrochen waren. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, diese Mängel nicht gemeldet zu haben. Auch seien die Defekte nicht ausreichend untersucht und keine weiteren Maßnahmen ergriffen worden. Als Konsequenz daraus gab es zunächst eine Rückrufaktion mehrerer Modelle, mittlerweile wurde der Verkauf sämtlicher Babboe Lastenräder komplett eingestellt. Von Unternehmensseite betont man, dass dies nur vorübergehend und bis zur Aufklärung der Vorfälle geschehe. In der Zwischenzeit empfiehlt Babboe selbst, die Lastenräder nicht weiter zu benutzen. Dieser Status ist mittlerweile seit über einem Monat unverändert, Ausgang ungewiss.
In der Praxis sorgt das bei vielen Menschen für Verunsicherung. Man hat ein Lastenrad für mehrere tausend Euro zuhause stehen, soll es aber nicht benutzen? Wie jetzt? Wir haben darüber mit Robert E. gesprochen. Er ist Besitzer eines Babboe Bikes und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Graz. Das Lastenrad ist ein fixer Bestandteil seines Familienalltags. Seit etwa fünf Jahren besitzt er das Curve-E Modell, eine zweispurige Ausführung mit E-Motor und einem aus Holz gefertigten Beförderungskorb, der sich vor dem Fahrer befindet. Im Einsatz ist das Rad bei ihnen jeden Tag, erzählt uns Robert. Die Kinder werden damit in die Schule gebracht und gelegentlich wird es auch zur Beförderung von größeren Einkäufen genutzt, etwa vom Baumarkt. Für ihn ist das Lastenrad in der Stadt ein vollwertiger Ersatz fürs Auto, die Vorteile liegen seiner Meinung nach auf der Hand: Die Kinder sind schneller und sicherer in der Schule als zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, es ist komfortabel und dank des eigens angefertigten Dachs ist auch der Transport bei Wind und Wetter gut möglich.
Die Probleme rund um Babboe hat er nur am Rande mitbekommen. "Das war rein zufällig. Bei einem Skiausflug haben sich andere Eltern über das Thema unterhalten. Vom Hersteller habe ich keine offiziellen Infos bekommen, auch in den Medien habe ich davon eigentlich nichts gesehen", so Robert. Wir wollten von ihm wissen, wie er als Konsument mit der jetzigen Situation umgehe. Weiterfahren oder stehenlassen? "Die Sicherheit ist mir natürlich wichtig. Aber als gelernter Maschinenbauer erlaube ich mir da auch ein eigenes Urteil. Ich hab' eine Rahmenkontrolle durchgeführt, die Anschraubpunkte überprüft und mir das Ding einfach gründlich angeschaut. Ich konnte dabei keine Mängel feststellen." Zusätzliche Vorsicht sei zwar geboten, das Risiko aber überschaubar. "Ich fahre auf eigene Verantwortung weiter, so rücksichtsvoll und vorausschauend wie möglich", so Robert weiter.
Die einspurigen Modelle würde er in der jetzigen Situation aber nicht mehr weiter benutzen. Das Unfallrisiko wäre ihm zu hoch, seien im Vergleich zu den zweispurigen Modellen hier doch schwere Stürze möglich. Um auf Nummer sicher zu gehen und bezüglich offizieller Informationen des Herstellers auf dem neuesten Stand zu bleiben, hat Robert mit dem Support-Team von Babboe schriftlich Kontakt aufgenommen und seine Rahmennummer bekanntgegeben. Mittlerweile ist das deutlich mehr als zwei Wochen her, Antwort hat er darauf keine bekommen. Was erwartet er sich nun in seiner Rolle als Konsument vom Hersteller? "Sollte wirklich ein Rückruf notwendig sein, wäre für mich zum Beispiel eine Entschädigungszahlung entsprechend des Zeitwerts in Ordnung. Ein neues Rad brauche ich nicht, weil meine Kinder schön langsam eh hinauswachsen und ich es sonst nicht so benötige." Auf der Website des Herstellers wurde mittlerweile eine Videobotschaft von Gerard Feenema, dem Geschäftsführer von Babboe, veröffentlicht. Neben einer Entschuldigung gibt es dabei aber nicht viel Neues. Es bleibt bei der Rückrufaktion für die Modelle "City", "City E", "Mini" und "Mini E". Für alle anderen Modelle lautet der Rat weiterhin, sie bis auf Weiteres nicht zu benutzen. Ob die Kunden ihre Räder zukünftig wieder sorgenfrei fahren können und ob auch das Unternehmen diese Krise übersteht, werden die kommenden Wochen und Monate zeigen. Denn selbst wenn es Entwarnung geben sollte, dürfte der Imageschageschaden für Babboe wohl schwerwiegend sein.